Typica – Die Zähmung der Wildnis

Typica-Kaffees sind die Quastenflosser der Kaffeevarietäten. Sie sind der Ursprung des kultivierten Kaffees. Die Geschichte des Typica ist eng verbunden mit dem Sonnenkönig Louis XIV und einem mutigen Marineoffizier, der seine Wasserration mit einem kleinen Baum teilte.

Typica ist ohne Zweifel die älteste kultivierte Arabica-Varietät. Entsprungen aus Pflanzungen im Jemen, die aus wilden äthiopischen Pflanzen angelegt wurden, entstand durch Auslese und daraus weiter hervorgehenden Pflanzungen die Urlinie der Typica. Sie besitzt die geringste genetische Diversität, da sie letztlich aus einer einzigen Kaffeepflanze hervorging. Die viel zitierte Geschichte des französischen Marineoffiziers Gabriel-Matthieu de Clieu, der die Pflanze auf seinem Schiff, der „Dromedaire“, auf die Martinique brachte, ist tatsächlich wahr.

Ein „Troja“ gewissermaßen – eine Sage, der man den wahren Kern zunächst absprechen möchte … und der bekannteste Bourbone – Luis Quatorze, der Sonnenkönig – hatte ebenfalls seine Hände im Spiel. Und das, obwohl Louis XIV Kaffee verabscheute.

Inzwischen konnten Genetiker eindeutig nachweisen, dass Typica tatsächlich zweifelsfrei auf eine einzige Pflanze zurückgeführt werden kann. Die gesamte Pflanzenlinie ist daher aus einer einzigen Pflanze und ihren Nachkommen entstanden, die sich den jeweiligen Wachstumsbedingungen der Anbauländer und -gebiete angepasst haben.

Typica-Pflanzen, die eine maximale Größe von 3,5 bis 4,5 m aufweisen, zeigen immer die typischen bronzefarbenen Jungblätter – niemals weisen sie die meist hellgrünen Jungblätter anderer Kaffeevarietäten auf. Die Seitenäste wachsen in einem nahezu horizontalen Winkel (Bourbon-Pflanzen besitzen dagegen einen 60 °-Winkel), die Kirschen und die darin befindlichen Kaffeebohnen sind von länglicher Form. Fast alle Typica-Pflanzen – einige der wenigen Ausnahmen stellen die „Guatemala-“ und die „Blue Mountain-Linie“ dar – sind anfällig gegenüber den meisten Krankheiten, Schädlingen und Nematoden. Die Ernteerträge der Typica-Linie sind gering bis mittel.

Bekannte angepflanzte Vertreter der Typica-Linie

sind „Blue Mountain“ (Kolumbien, Zentralamerika, Karibik (Jamaica), Papua Neu Guinea), „Kent“ (Indien), „JavaTypica“ (Indonesien), „BlawanPasumah“ (Indonesien, Ost-Java), „BLP“ (Indonesien), „Bergendal“ (Indonesien, Nord-Sumatra), „Jamaique“ (Kamerun), „Kona“ (Hawaii), „Sumatra“ (Brasilien) und „PlumaHidalgo“ (Mexiko).
Die zumeist in Zentralamerika kultivierten Zwergvarietäten heißen „Villa Lobos“, „San Bernardo“, „San Ramon“ und „Pache“.

Ein besonderer Vertreter, wenn nicht sogar der bekannteste, ist der „Maragogype“, eine aus Brasilien stammende Mutation, mit riesigem Wachstum, leider aber hoher Anfälligkeit gegenüber Schädlingen und Frost. Hervorgegangen aus dem Maragogype sind „Pacamara“ (Kreuzung mit „Pacas“), „Maracatu“ (Kreuzung mit „Catuai“) und „Maracaturra“ (Kreuzung mit „Caturra“). Die Geschichte der Typica-Linie findet sich in fast jedem Kaffeebuch und die Radierung der Überfahrt der ersten Kaffeepflanzen nach Martinique, auf der ein Marineoffizier eine Pflanze in einer Holzkiste gießt, ist wohl eine der meist gedruckten Darstellungen in der Kaffeeliteratur. Dennoch wird diese Darstellung eher als Mythos und Sage verstanden, denn als historisches Dokument. Es ist Gabriel-Mathieu de Clieu (1687–1774) einem französischen Marineoffizier, später königlicher Leutnant und Gouverneur von Guadeloupe (1737–1752) zu verdanken, dass sich Kaffee in der Karibik und von dort später über den gesamten amerikanischen Kontinent ausbreitete.

So brachte er 1723 ein Kaffeebäumchen aus dem Jardin des Plantes in Paris auf die Insel Martinique und legte damit den Grundstock des Kaffeeanbaus in den französischen Kolonien.

Die Pflanzen im „Jardin de Planteswaren“ waren um 1710 als Kriegsentschädigung aus Amsterdam nach Paris gebracht worden. Die Pflanzen in Amsterdam entstammten ihrerseits wiederum einer 1706 aus Java eingeführten Pflanze. Soweit lässt sich die genetische Herkunft der Typica inzwischen zweifelsfrei feststellen. Die Beschreibungen und Vermutungen alter Autoren lassen sich daher nun bestätigen.

Über die Vermittlung und Vorschlag des Leibarztes des Sonnenkönigs, erhielt De Clieu drei Pflänzchen, die als Grundlage einer französischen Kaffeepflanzung in der Karibik dienen sollten. Von den ursprünglich drei Pflanzen überlebte nur eine einzige die lange Überfahrt, die von Windstille und einem Piratenangriff begleitet wurde. Um die Pflanze zu retten, teilte De Clieu seine Trinkwasserration mit ihr. Bereits im Jahre 1726 war die erste Ernte möglich und die Pflanzen verbreiteten sich von dort über die gesamte Karibik und später auch über Kuba zuerst in Mexiko auf den amerikanischen Kontinent.

Inzwischen besteht ebenfalls die Theorie, de Clieu hätte Saatgut statt lebender Pflanzen nach Martinique mitgenommen. Dies war damals durchaus gängige Praxis gewesen, jedoch wurden Pflanzen aus zeitlichen Gründen immer bevorzugt, so musste man auf die klimatischen Bedingungen im Rahmen der Ankunft weniger Rücksicht nehmen und sparte zudem wertvolle Zeit bis zu einer ersten Ernte. Auch bei der Besiedlung mit Kaffeepflanzen auf der Île de la Bourbon wurden sowohl Pflanzen als auch Saatgut eingeführt.

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es sich tatsächlich um Pflanzen gehandelt hat. Mehrere Gründe sprechen dafür. Zunächst die Bilder der Überfahrt und die Geschichte der Aufteilung des Trinkwassers – zugegeben, genug für einen Film oder ein tolles Musical, aber die Beweislast ist erdrückend. Es erscheint eher so, als wolle man Bilddokumenten aus der Vergangenheit generell die Authentizität absprechen und verlagert diese fast grundsätzlich ins Reich der Geschichten und Erzählungen. Wie falsch dies ist, hat nun auch die wissenschaftliche Aufschlüsselung der Typica-Genetik bewiesen.

Zweitens ist auch nach diverser Aktenlage klar, dass 1726 erstmals Kaffee auf Martinique geerntet wurde. Drei Jahre also noch der Ankunft de Clieus mit den Kaffeepflanzen. Saatgut wäre nicht ausreichend schnell, um diese mehrfach beurkundete Ernte zu erklären. Vielleicht ist es Zeit, auch alten Quellen etwas mehr Vertrauen zu schenken … denn nicht alles, was im Internet zu finden ist, muss glaubwürdig sein.

Typica-Pflanzen gedeihen besser in großen Höhen und bevorzugen weniger Niederschlag als die Bourbon-Linie. Auf ferralsolischen Böden bieten die Typica fruchtige Aromen mit feinem Säureprofil, vulkanische Böden hingegen zeichnen sich durch Nussßtöne und Gewürze aus. Das Flavour-Profil ist durch eine fruchtige, frische Säure mit Beerentönen gekennzeichnet, die insbesondere bei der trockenen Aufbereitung eine hohe Süße und einen ausgeprägten Körper in der Tasse entwickelt.

Es ist den lateinamerikanischen Anbaugebieten der Typica-Kaffees geschuldet, meist nur an gewaschene (also „fully washed“ aufbereitete) Kaffees zu kommen, da die Geographie der Gebiete mit hohen Niederschlagsrisiken während der Erntezeit sowie der Mangel an Trocknungshöfen dazu führte, die Trocknung beschleunigen zu müssen, um hochwertige Kaffees zu produzieren. Die gewaschenen Kaffees ohne Fruchtfleischreste ließen sich schneller trocknen und waren daher das favorisierte Verfahren. Daher waren „Naturals“ (trocken aufbereitete Kaffees) lange als niederqualitativ verpönt und wurden auch in der Herstellung und dem damit verbundenen Know-How nicht weiterentwickelt.

Die Flavourprofile der Lateinamerikanischen Kaffees zeichnen sich daher durch fruchtbetonte Noten mit geringerem Körper aus, die insbesondere bei Filterkaffee ihren Einsatz finden. Doch das Potenzial dieser Kaffees mit ihren verschiedenen angepassten Linien und Untervarietäten sowie in verschiedenen Aufbereitungen sind noch weitestgehend ungeborgene Schätze.

Leider werden auch immer noch viel zu viele der alten Typica-Pflanzen mangels Ertrag und aufgrund der weitgehend bestehenden Unkenntnis über die einzigartigen geschmacklichen Eigenschaften nicht mehr oder nur in geringem Umfang angebaut und kommen fast ausschließlich als Beimischungen, aber nicht als sortenreine Kaffees auf den Markt. Zwei prominente Beispiele dafür sind „Pluma Hidalgo“ aus Mexiko, der bis jetzt jeden in Verkostungen beeindruckt hat. Geradezu schwere Brombeernoten mit ausgeprägter Süße und einem vollmundigen Körper lassen die Verwandtschaft zu den äthiopischen Wurzeln eindeutig erkennen. Ähnlich verhält es sich mit „Pache“, von dem es inzwischen drei Unterarten gibt, die wenig bis gar nicht unterschieden werden.„Pache colis“, „Pache enano“ und „Pache comun“. Diese Typica-Linie mit ihren herabhängenden Ästen weist einen für Typica recht hohen Ertrag auf, der gleichmäßig aber spät ausreift und daher von Farmern nicht geschätzt wird.

Zudem haftet den beiden Kaffees ein schlechtes Image von „indigenem Eingeborenenkaffee“, also einem „Kaffee armer Leute“ an, da diese Kaffees von Mönchen der frühen Klöster im Rahmen der Christianisierungen an die Urbevölkerung verteilt wurden, um dort zusätzliche Einnahmequellen zu generieren. Diese Kaffees wurden dort meist auch trocken aufbereitet, was weiterhin als einfach und niederqualitativ betrachtet wurde. Kaffee von Farmen war anders – modernere Züchtungen und technisch mit großem Aufwand gewaschen und mechanisch getrocknet – ein Image, das heute nicht mehr für eine gelungene Marketingkampagne passend wäre und ist. Vielleicht liegt darin ja auch die Chance, auf eine Rückbesinnung auf die Typica-Kaffees – die Quastenflosser der Kaffeevarietäten.

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