Vietnam

Vietnam ist ein Kaffeeriese – der zweitgrößte Kaffeeproduzent nach Brasilien und größter Erzeuger von Canephora-Kaffees weltweit. Weniger bekannt ist dagegen die Geschichte des Kaffees in Vietnam – eine Geschichte voller Politik und geschäftlicher Interessen.

Sie begann bereits im Jahre 1857 mit einer einzelnen Pflanze, die ein Französischer Priester in die damals noch französische Kolonie Tonkin im Norden Vietnams (Grenzgebiet zur chinesischen Provinz Yunnan) brachte. Die ersten Pflanzungen erstreckten sich über die zentralen Gebiete von „Quang Tri“ und„Bo Trach“. Der Kaffee wurde damals vollständig nach Frankreich exportiert unter dem Namen „Arabica von Tonkin“. Die Erträge je Hektar waren anfangs mittelmäßig (400–500 kg/ha) und ließen dann stark nach (100-150kg/ha). Vermutlich handelte es sich dabei unter anderem auch um eine vermehrte Koffeineintragung in den Boden, der insbesondere durch koffeinkonsumierende Schattenpflanzen wieder abgebaut werden konnte. Unter den ursprünglich angebauten Varietäten befanden sich verschiedene Arabicavarietäten wie Bourbon Pointu (Laurina) und andere Bourbonkaffees der Île de la Réunion. Ebenso sicher verschiedene alte Tipica-Kaffees, die zu dieser Zeit von französischen Siedlern weltweit angebaut wurden. So gibt es auch Hinweise auf Bonifieur-Kaffees (stammt aus Guadeloupe), den Urahnen der Blue-Mountain-Varietät. 1908 konnten durch weitere Einbringungen von neuen Kaffeepflanzen die Erträge wieder leicht gesteigert werden. Unter der französischen Verwaltung wurden zahlreiche großflächige Kaffeeplantagen in verschiedenen vietnamesischen Provinzen, besonders in Ha Tinh (1910), Thanh Hoa (1911) und Nghe An (1915) angelegt.

1925 entstanden die großen Kaffeepflanzungen in Tay Nguyen, die sich später zum größten Kaffeeanbaugebiet Vietnams entwickeln sollten. Die gesamte Anbaufläche des Landes belief sich inzwischen auf rund 20.000 Hektar. Nach 1945 fielen die nördlichen Anbaugebiete in die Hände der nordvietnamesischen Regierung. In Konsequenz wurden die Kaffeeplantagen verstaatlicht, aufgegeben und für andere Zwecke genutzt. Mit dem neuerlich bevorstehenden Krieg (Indochinakrieg) und dem damit verbundenen hohen Finanzbedarf, wurden die ehemals von französischen Siedlern gegründeten nördlichen Plantagen unter voller Kontrolle der vietnamesischen Regierung wiederbelebt, mit dem Ziel, Geld in die Kassen des Regimes zu spülen. Man hatte inzwischen in anderen Provinzen erkannt, dass die Kaffeeplantagen den Lebensunterhalt vieler Menschen garantierten und ein profitables Geschäft für den Staat darstellten. Der Kaffeeanbau erreichte seine Blütezeit in den Jahren 1946–1966, in denen auf rund 13.000 Hektar Anbaufläche Kaffee erzeugt wurde. 1980 erreichte die Anbaufläche eine Größe von 23.000 Hektar. Der Vietnamkrieg (1955–1975) verminderte die Produktion von Kaffee in der Region „BuônMa Thuot“ vollständig. Erst 1994 begann der Aufschwung zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten der Welt, auch in Folge des „Salznebels“ (1994) von Brasilien. Einem Küstennebel mit hohem Salzanteil, der die überwiegende Mehrheit der brasilianischen Kaffeepflanzen vernichtete. Eine Trockenheit folgte in Brasilien unmittelbar auf den Salznebel und hielt bis 1997 an – die weltweit erzeugte Kaffeemenge reduzierte sich damit um rund die Hälfte. In Folge explodierten die Kaffeepreise an den Börsen. Nicht zuletzt hierdurch wurde der vietnamesischen Kaffeeproduktion national und international viel Aufmerksamkeit geschenkt und die Kaffeeindustrie erhielt massive staatliche Subventionen.

In der Kooperation mit der DDR, die durch einen Mangel an Kaffee nach Auswegen suchte, um Unruhen in der Bevölkerung zu verhindern, wurden 1981 und 1986 zwei Regierungsabkommen zwischen der DDR und Vietnam geschlossen. Die DDR sollte hierbei Ausrüstung, Know-how und Maschinen für den Aufbau einer Kaffeeindustrie liefern, die die vietnamesische Seite mit Kaffee zurückzahlen sollte. Die ersten Pflanzen stammten aus dem Leipziger Tropeninstitut. 1990 wurde die erste relevante Ernte erwartet – eine Zeit, in der die DDR als Abnehmer bereits nicht mehr existierte. Heute sind 90 Prozent des angebauten Kaffees in Vietnam Canephora und rund 10 Prozent Arabica. Die angebauten Kaffeearten und -varietäten in Vietnam sind Canephora, Arabica (SE), HdT-Linien (Catimor) und Excelsea (Chari).

Kaffee wird vorwiegend in drei Gebieten mit verschiedenen Regionen angebaut 1. Central Highlands (DakLak, Gia Lai, Kontum, Lam Dong, Buôn Ma Thuột), 2. Southeast (Dong Nai, Ba Ria-Vung Tau, Binh Phuoc) und 3. Central Coastal. Die Anbaugebiete im Norden sind lange schon nicht mehr relevant für große Produktionsmengen. Fünf Provinzen sind dabei heute für ca. 90 Prozent der nationalen Kaffeeproduktion verantwortlich und die Hauptstadt der Produktivsten von ihnen – Buôn Ma Thuot City – ist das Zentrum der Kaffeeindustrie und Kaffeekultur des Landes. Vietnam produziert jährlich inzwischen rund 1.650.000 t Kaffee (27,5 Mio. Sack zu 60 kg) auf einer Fläche von ca. 670.000 Hektar. Zum Vergleich produzierten Brasilien 2.592.000 t Kaffee (43,2 Mio. Sack zu 60 kg) und Kolumbien 840.000 t (14 Mio. Sack zu 60 kg). Die ersten drei Plätze sind damit klar bestimmt und auch deutlich unterschiedlich. Der rasche Produktionsanstieg und die vorwiegend angebaute Art (Canephora) haben zu einem schlechten Image des vietnamesischen Kaffees beigetragen.

Wie immer im Leben, ist dies natürlich nur die halbe Wahrheit und es finden sich in Vietnam exzellente Klein- bis Kleinstproduzenten, die die seltensten und erlesensten Kaffees produzieren. Diese treten aber im Vergleich zur billigen Massenware, die die Großkaffeeindustrie sucht und fordert, nicht wesentlich in Erscheinung. So lassen sich dort die spannendste Kaffees entdecken – man muss nur wissen wo. Eine kuriose Spezialität aus Vietnam ist neben diesen alten, seltenen Varietäten der „cà phê chon“, oder „weasel coffee“ – der wie sein bekanntes Pendant, der „Kopie Luvak“, ein „Animal crop“, also von Tieren geernteter Kaffee, ist, dessen geschmackliche Besonderheiten nicht durch Verdauung, sondern durch Selektion des Tieres beim Fressen der ausschließlich ideal reifen Kirschen stattfindet. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee in Vietnam liegt inzwischen bei 1.34kg, was bei 90 Mio. Einwohnern einen Gesamtverbrauch von rund 126.000 t (2,1 Mio. Sack zu 60 kg) Kaffee entspricht. Eine nicht unerhebliche Menge an Kaffee und ein weiteres Zeichen für steigenden Kaffeekonsum in den kaffeeproduzierenden Ländern. Es lässt sich also an vielen Stellen ablesen, dass die Kaffeepreise in naher Zukunft steigen werden müssen – weltweit wachsender Kaffeekonsum und rückläufige Produktionszahlen sind keine Gründe, doe für niedrige Preise sprechen.

Wann genau der Kaffeekonsum in Vietnam begann ist unklar oder wann Kaffee zum Nationalgetränk gegenüber dem chinesischen Tee avancierte. Sicher ist, dass Kaffee schon längst ein fester Bestandteil der vietnamesischen Kultur geworden ist, und nicht nur ein Exportgut darstellt. Es wird vermutet, dass die französischen Einflüsse im Norden des Landes Ursprung dieser Kaffeekultur sind, bei der die wohlhabenden und gebildeten vietnamesischen Einheimischen und französischen Einwanderer die Kulturen und Gepflogenheiten voneinander übernahmen.

Kaffee wird in Vietnam vorwiegend auf zwei Arten getrunken: als Filterkaffee „cà phêphin“ und als Instantkaffee „cà phê gói“. Der Kaffee wird dabei normalerweise in einem Einzeltassenfilter aus Metall zubereitet, dem „phin cà phê“. Der Kaffee wird meistens direkt am Tisch zubereitet. Hierbei wird der Kaffee durch den Metallfilter direkt in ein Glas gebrüht und anschließend daraus getrunken. Wird der Kaffee als Milchkaffee getrunken, bezeichnet man ihn als „cà phê sua nóng“. Der Kaffee wird dabei durch den Filter direkt auf einen vorher in das Glas gegebenen Bodensatz (2–3 Löffel) Kondensmilch gebrüht. Anstelle von frischer Milch wird in Vietnam aus Gründen der Hygiene und Haltbarkeit vorwiegend auf gesüßte Kondensmilch zurückgegriffen. Inzwischen entspricht gesüßte Kondensmilch der gewohnheitsgeprägten Geschmacksvorliebe im ganzen Land. Der Kaffee wird dann verrührt und heiß getrunken. Eine Abwandlung des vietnamesischen Filterkaffees ist der Eiskaffee. Der Kaffee wird dabei heiß gebrüht und dann sofort über Eis gegossen. Man bezeichnet ihn als „cà phê dá“ (Eiskaffee) oder„cafe da“. Beliebt ist er ebenfalls mit Kondensmilch, das ist der sogenannte cà phê sua dá oder cafe sua da. Hierbei wird der auf die Kondensmilch gebrühte Kaffee noch heiß mit der Kondensmilch verrührt und dann durch ein hohes Glas mit Eiswürfeln umgegossen. Überall in Vietnam finden sich kleinste traditionelle Kaffeestuben, die durch topmoderne Coffeeshops, Röstereien und Kaffeehäuser ergänzt werden. Teehäuser oder Teestuben sind inzwischen weit in der Minderheit im Vergleich zu den zahllosen Cafés und Kaffeestuben.

Egal ob als Filterkaffee – meistens mit Kondensmilch – oder Instantkaffee, Kaffee ist aus dem Leben der Vietnamesen nicht mehr wegzudenken und nimmt einen wichtigen ökonomischen und kulturellen Platz ein. So hatten die internationalen Winkelzüge und politischen Manöver doch am Ende etwas Gutes für die vietnamesische Bevölkerung, die lange genug nur Spielball anderer, meist ausländischer Kaffeeinteressen war und immer noch in vielfältiger Hinsicht ist. Überzeugen Sie sich am besten bei einem Besuch des Landes doch selbst!

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