Indien – ein schlafender Riese entdeckt seinen Kaffeedurst

Indien ist ein polysensuelles Erlebnis, dem sich keiner entziehen kann. So viel Geruch, Geräusch, Gewimmel, Geschmäcke, Farben und Formen, dass es mit keinem anderen Land vergleichbar ist. Ebenso verhält es sich mit dem Bezug zu Kaffee – Kaffee wurde schon zu frühesten Zeiten in Indien angebaut.

Der Kaffee erreichte das Land bereits im 16. Jahrhundert, als Baba Budan, ein Sufi-Heiliger, die Vorzüge des Kaffees auf einer Pilgerfahrt nach Mekka kennen- und schätzen lernte. Er fasste den Entschluss, Kaffee in seiner Heimat anzubauen. Er schmuggelte der Sage nach sieben Kaffeesamen aus der Hafenstadt Mocha im Jemen nach Indien, wo er die Samen in den Chandragiri-Hügeln im Kadur-Distrikt in Mysore (heute Karnataka-Staat) pflanzte. Kaffee durfte zu dieser Zeit nur in geröstetem Zustand oder nachdem die grünen Bohnen zuvor mit heißem Wasser übergossen wurden aus dem Jemen ausgeführt werden. So schützten die Jemeniten ihr damalig bestehendes weltweites Kaffeemonopol.

Das Berggebiet der ersten Kaffeepflanzungen in Indien wurde dem Heiligen zu Ehren später als Baba Budangiri benannt und ist bis heute eines der berühmtesten indischen Kaffeeanbaugebiete. Indien und seine 1,3 Milliarden Menschen, ist der sechstgrößte Kaffeeproduzent der Welt nach Brasilien (inzwischen auch der größte Kaffeekonsummarkt der Welt vor den USA und Deutschland!), Vietnam, Kolumbien, Indonesien und Äthiopien und produzierte 2015 rund 6 Millionen Sack Kaffee (60kg). Indien produziert rund 50 Prozent Arabica und 50 Prozent Canephora. Eine große Besonderheit sind dabei die angebauten Varietäten (S795, Kent, CxR, SLN274, Old Paradenia), die fast ausschließlich in Indien vorkommen und so einen ganz eigenen Charakter besitzen. Die 13 Anbauregionen liegen besonders im Süden Indiens in den Staaten Karnataka (Bababudangiris, Biligiris, Chikmagalur, Coorg, Manjarabad), Kerala (Travancore, Wayanad) und Tamil Nadu (Anamalais, Nilgiris, Pulneys, Sheveroys). Weitere Anbaugebiete liegen in Andhra Pradesh (Araku Valley) an den Northeastern States (Brahmaputra).

Eine weitere Besonderheit Indiens ist der „Monsun Kaffee“. Kaffee, der nach der Ernte noch weiter an der Malabarküste, in der Gegend rund um Mangalore unter der hohen Luftfeuchtigkeit „gereift“ wird. Dabei nehmen die trocken aufbereiteten Kaffeebohnen die Feuchtigkeit auf, nehmen an Größe zu, bleichen aus und bauen Säuren ab. Das Flavourprofil des Monsunkaffees wird damit karamellig und weicher als das des ungereiften Kaffees. Das Reifungsverfahren und der Name sind an die Malabarregion am Küstenstreifen gebunden und entsprechen damit einer DOC wie beim Champagner. Ein Drittel der indischen Kaffeeproduktion verbleibt inzwischen bereits im heimischen Markt, zwei Drittel stehen dem Export zur Verfügung.

Der Kaffee für den nationalen Konsum wird medium bis medium-dark geröstet, fein gemahlen und mit Zichorie versetzt. So enthält gemahlener Kaffee in Indien durchschnittlich rund 20–30 Prozent Zichorie, wodurch ein unverwechselbarer, eigentümlicher Geschmack und eine intensive Farbe erzielt wird. Indien ist immer noch eine Teenation mit einem Jahreskonsum von rund 837.000t (vgl. Indian Tea Association) oder einem durchschnittlichen Pro-Kopf- Verbrauch von 250 Tassen (zum Vergleich: Irland besitzt einen Pro-Kopf-Verbrauch von ca. 1.000 Tassen). So besteht auch hier noch beträchtliches Wachstumspotenzial mit zunehmendem Wohlstand. Der Kaffeekonsum betrug im Jahre 2011 rund 115.000 t, wobei 73 Prozent davon in den Städten konsumiert wird, und nur 27 Prozent im ländlichen Raum (in Südindien). Im Norden, Westen und Osten Indiens wird mehr Instantkaffee konsumiert, im Süden mit rund 78 Prozent Anteil (ca. 80.000 t) dem größten Kaffee-Konsummarkt des Landes) besitzt dagegen der Filterkaffee eine vorherrschende Stellung.

2015 lag der durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee in Indien bei 110 g oder 2 l (zum Vergleich: Deutschland besitzt einen Pro-Kopf-Verbrauch von ca. 7 kg oder 150 l). Das Wachstumspotenzial ist daher immens und der Indische Staat fördert sämtliche Projekte zugunsten eines erhöhten Kaffeekonsums. In den vergangenen zehn Jahren ist der Kaffeekonsum in Indien um rund 40 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich fortsetzen und noch verstärken. Der größte Wachstumsmarkt wird im Osten, Norden und Westen Indiens liegen. Die meisten Konsumenten sind inzwischen gelegentliche Kaffeetrinker.

Die größten Hindernisse für ein Wachstum liegen derzeit in der bestehenden Annahme der Gesundheitsrisiken durch Kaffeekonsum und im Handling der Zubereitung. Traditionell wird der Kaffee „Indian filter kaapi“ oder „Boondh Bisneeru“ (Kannada) genannt. Hierbei wird gekochte und aufgeschäumte Milch mit gebrühtem Filterkaffee versetzt. Dieser Kaffee wird auch als „Mysore Filterkaffee“ oder „Madras Kaapi“ bezeichnet. Der typische Kaffee, kapi oder kaapi, wird mit viel Zucker in Edelstahlbechern serviert. Der traditionelle südindische Filterkaffee wird in einem zweiteiligen Metallzylinder gebrüht, einem Gefäß unten, um den gebrühten Kaffee aufzunehmen und einem oberen Teil mit einem befüllbaren Filtereinsatz, wie auch bei einer Neapolitanerkanne oder der vietnamesischen Zubereitung. Durch das im Kaffeemehl enthaltene Zichorienpulver extrahiert der Kaffee stärker und tiefer. Der Kaffee ist dadurch viel stärker als westeuropäischer Filterkaffee und eher vergleichbar mit einem Espresso. Getrunken wird der Kaffee, der mit 1–2 Löffeln Zucker und einer Tasse heißer Milch versetzt wird, aus dem „Dabarah“ oder „Davarah“, einer großen Metallschüssel (wie die frühen gebräuchlichen Untertassen, aus denen auch in Europa und Russland lange Zeit direkt getrunken wurde), in die das gesüßte Kaffeegemisch zum Abkühlen und zum Vermischen eingegossen wird. Bis er die optimale Trinktemperatur erreicht, wird der Kaffee nun zwischen dem schmaleren, höheren Metallbecher und dem breiteren, flacheren Dabarah umgegossen.

Eine besonders beeindruckende artistische Form dieser Zubereitung ist der „meter coffee“ oder „coffee by the meter“, dessen Name sich von der Art der Mischung und des Aufschäumens des Getränks ableitet, das zwischen zwei größeren Metallgefäßen hin und her gegossen wird, mit weit übertriebener Höhe und Abstand. Kaffee wird im Süden zuhause morgens getrunken oder auch an kleinen Ständen am Straßenrand („Kaapi bars“), wo ein Kaffee um die fünf Rupien (ca. 7 Cent) kostet. Der Kaffee wird dort im Stehen getrunken und gleich wieder Platz für den nächsten Gast gemacht – eine Situation wie in traditionellen italienischen Kaffeebars am Tresen.

Im Coffeeshop zahlt man dafür rund 80 Rupien (ca. 1,05 Euro) oder mehr. Diese Preisbarriere trägt dazu bei, dass sich westliche Kaffeekultur hauptsächlich in der oberen Mittelklasse verbreitet und dadurch zu einem Statussymbol wird. Das erste Kaffeehaus in Indien eröffnete in Kalkutta im Jahre 1780, gefolgt vom „Madras Coffee House“ und 1792 dem „Exchange Coffee House“, das dem „Lloyd’s of London“ nachempfunden sein sollte, mit zahlreichen kostenlos ausliegenden indischen und europäischen Zeitungen und Billardtischen. Die Coffeeshops tragen maßgeblich dazu bei, Kaffee eine andere Wahrnehmung zu geben. Kaffee wird nun auch frei von Zichorienbeimischungen angeboten und ebenso als Espresso, Cappuccino oder als Caffè Latte kredenzt. Das im Land bestehende Bewusstsein für Kaffee und seine Geschmacksvielfalt wird damit weitgehend geprägt und gefördert. Mit über 1.550 Shops ist „Café Coffee Day“ (CCD) der Marktführer im Coffeeshop-Segment in Indien. Zweitgrößter Player ist „Barista“ (Lavazza) mit ca. 320 Shops, „Costa Coffee“ verharrt seit Jahren bei rund 100 Filialen. „Starbucks“ (Tata Starbucks Ltd.) besitzt derzeit rund 50 Outlets vorwiegend in den indischen Metropolen. Eine Anpassung an indische Geschmacksvorlieben ist und war für alle internationalen Gruppen unerlässlich.

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